Interview mit Nobu Matsuhisa

Arbeiten, Essen, Schlafen, Arbeiten 

Der japanische Starkoch NOBUYUKI MATSUHISA – besser bekannt als NOBU – eröffnete vor fünf Jahren sein Gourmetrestaurant Matsuhisa im Mandarin Oriental München mit einer traditionellen Sake-Zeremonie. Dieser Ableger des legendären Promi-Hotspots Matsuhisa Beverly Hills ist das erste Restaurant von Nobu in Deutschland und eines von acht Matsuhisa-Restaurants weltweit. Mandarin Oriental, die Hotelkette mit den weltweit meisten Michelin Sternen (21), arbeitet jetzt seit gut vier Jahren mit Celebrity-Chef Nobu Matsuhisa in München zusammen – mit großem Erfolg. Kein Wunder: Das Matsuhisa Munich ist optisch wie kulinarisch ein echtes gastronomisches Highlight! Für die Innenarchitektur zeichnet das international renommierte Designstudio „FG stijl“ mit Sitz in Amsterdam verantwortlich, das in München bereits mit dem Design der BMW Welt punktete. Neben Nobu-Klassikern wie dem legendären „Black Cod“, den mit Thunfisch, Lachs oder Hummer gefüllten Nobu-Tacos und dem Gelbflossen-Sashimi mit Jalapeños stehen individuelle Kreationen wie über Teeblättern gegrilltes Lamm mit peruanischer Anticucho-Soße sowie Sushi- und Tempura-Variationen auf der Speisekarte. Das erste Matsuhisa-Restaurant eröffnete Nobuyuki im Januar 1987 in Beverly Hills. Der Chefkoch begeistert seither in all seinen Restaurants mit japanisch-lateinamerikanischer Fusionsküche. Diese sind in der New York Times unter den Top Ten der besten Gourmet-Tempel weltweit gelistet. Fünf seiner Restaurants wurden mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Neben München gibt es Ableger u.a. in Aspen, Denver, Vail, Athen, Mykonos, St. Moritz und in Paris. Der Sushi-Meister und Celebrity-Chef Hollywoods spricht im Interview über seinen Werdegang, Erfolge, Tragödien und seinen berühmten Partner Robert DeNiro.

Interview: Alex Gernandt

Nobu Matsuhisa im Matsuhisa Restaurant, München – Fotocredit ©Mandarin Oriental
LaCoupole Matsuhisa – Badrutt’s Palace St. Moritz – Fotocredit ©Matsuhisa
Fotocredit: ©Mandarin Oriental

NOVALUNA: Nobu-san, Sie sind bekannt als der Sushi-Experte, dazu Großgastronom. Wissen Sie spontan, wieviele Restaurants Sie zurzeit weltweit betreiben?

Nobu Matsuhisa: 47 müssten es sein. Dazu kommen dreizehn Nobu Hotels. Zehn Monate im Jahr bin ich auf Achse, um sicherzustellen, dass die Qualität überall stimmt. 

Und wo ist Ihr Lebensmittelpunkt?

Nobu: Den gibt es nicht. Ich lebe meist in Los Angeles, New York, Tokio – und im Flugzeug. Ich bin wohl ein echter Pendler (lacht).

Geboren wurden Sie 1949 in Saitama, Japan. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?

Nobu: Mein Vater starb, als ich acht Jahre alt war. Ich wuchs mit meiner Mutter, meiner Großmutter und meinen älteren Brüdern auf. Großmutter war gleichzeitig meine Lehrerin, bei ihr habe ich viel gelernt – allerdings nicht das Kochen. Für die Familie hat unsere Mutter gekocht. Ich war der jüngste, ein Einzelgänger und oft zu Hause. Da habe ich ihr oft in der Küche beim Kochen zugesehen. Mir fiel auf, dass Sie alle Speisen stets frisch und handgemacht zubereitete. Das war bei uns normal. 

Nach der Schule begannen Sie zielstrebig eine Kochlehre in einem Sushi-Restaurant in Tokio.

Nobu: Matsue Sushi hieß das Lokal. Anfangs bin ich täglich mit dem Zug 45 Minuten hin und abends zurück gefahren. Dann bekam ich ein kleines Zimmer in der Wohnung über dem Restaurant, die Familie Matsue gehörte. Sie behandelten mich wie einen Sohn. Der Tagesablauf war immer gleich: Arbeiten, essen, schlafen, arbeiten. Jeden Morgen, außer sonntags, fuhr ich mit dem Chefkoch zum Fischmarkt, um frische Ware einzukaufen. Dort lernte ich, wie man guten Fisch erkennt. Dann stand ich bis spät abends in der Küche. 

Freizeit war ein Fremdwort?

Nobu: Ist es bis heute. Mir kam die Arbeit aber weder hart noch stressig vor, für mich war das völlig normal. Ich kannte das Berufsleben nicht anders. Ich hatte meinen Spaß und wollte vor allem eines: lernen, lernen, lernen!

War der Berufswunsch Koch für Sie schon früh klar oder gab es auch eine andere Option?

Nobu: Ursprünglich sollte ich in den Holzbetrieb meines Vaters einsteigen, der verstorben war, aber das übernahm mein älterer Bruder. Eines Tages hatte mich mein Bruder in ein Sushi-Restaurant mitgenommen. Die Köche standen mitten im Restaurant und haben Sushi gezaubert. Da ging es unheimlich hektisch zu, aber ich war total fasziniert von der Atmosphäre, der Energie im Raum und auch von der Kunstfertigkeit der Köche. Ich verliebte mich in den Geschmack von Sushi, lernte die ganzen Namen und Bezeichnungen von der Karte auswendig. Mir wurde schnell klar, dass ich das auch machen wollte. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel.

Sie haben dann zunächst sieben Jahre lang bei Matsue in Tokio gelernt und gearbeitet, bevor Ihr Traum von Reisen und Abenteuern wahr wurde.

Nobu: Genau. Mich hat es 1973 von Tokio zunächst nach Lima in Peru verschlagen, gleich ganz weit weg, auf einen anderen Kontinent. Das war für mich als jungen Mann ziemlich aufregend, eine neue, völlig fremde Welt. Mein Vater, er war von Beruf Holzhändler, hatte mir früher immer von Palau, einer Pazifikinsel zwischen den Philippinen und Papua-Neuguinea erzählt und von den Eingeborenen dort. Das fand ich sehr spannend. Seine Erzählungen und Fotos hatten die Abenteuerlust in mir geweckt.

Wieso Sie ausgerechnet Peru?

Nobu: Bereits im späten 18. Jahrhundert waren viele Japaner nach Peru ausgewandert, es bestand ein Handelsabkommen zwischen den beiden Staaten. Damals erzählte man sich, dass es in diesem Land, das gefühlt am Ende der Welt lag, riesige Goldvorkommen gäbe. Das hat die Menschen angelockt. Bei mir war es einer unserer Stammkunden in Tokio, ein sogenannter “Japan-Peruaner“. Er lud mich ein, nach Lima zu kommen, um dort mit ihm ein Restaurant zu eröffnen. Ich traute mir das zu und folgte der Einladung. Ich war gespannt auf diese Region, den Dschungel, den Amazonas, ich hatte viel über indigene Völker gelesen. Das fand ich hochinteressant. Peru war meine Chance, etwas Neues zu erleben.  

Sie haben dort Ihre Kochkunst verfeinert und die asiatisch-lateinamerikanische Fusionküche kreiert.

Nobu: Ich fing einfach an, Produkte und Zutaten aus beiden Regionen zu kombinieren. Das hat nach einigen Experimenten sehr gut funktioniert. Ich habe die traditionelle japanische Küche, etwa Sushi und Tempura, bereichert mit regionalen peruanischen Gewürzen, mit Anticucho-Soße und Jalapeños etwa, und so entstand schließlich das Nikkei-Food, das die Menschen dort, Japaner wie Peruaner, sofort annahmen. In Japan isst man zu Sushi Wasabi, in Peru wird frischer Fisch mit Zitrone, Knoblauch und Zwiebeln verfeinert. Ich habe einfach alles genommen und kombiniert. 

Bevor Sie nach drei Jahren weiterzogen Richtung Los Angeles, machten Sie erst noch Station in Alaska. Wie kam es dazu?

Nobu: Zuvor war ich zunächst noch ein knappes Jahr in Argentinien, aber da hat es mir nicht wirklich gefallen. Also bin ich erstmal zurück in die Heimat. Und von Japan dann nach Alaska. Es war eine große Herausforderung, dort ein eigenes Restaurant zu eröffnen. Wieder eine ganz fremde Welt, wieder ein indigenes Volk, die Eskimos, die Inuit. Ich wollte zu diesem Zeitpunkt nicht in eine Millionen-Metropole wie London oder New York ziehen. Ich suchte gezielt das Leben in quasi unberührter Natur.

In Alaska traf Sie ein schwerer Schicksalsschlag!

Nobu: 50 Tage nach Eröffnung brannte mein Restaurant ab, bis auf die Grundmauern. Ein elektrischer Kurzschluß hatte das verursacht. Ein Fiasko, das mich an den Rand des Ruins brachte. Ich verließ Alaska, flog für eine Woche zurück nach Japan – und dann versuchte ich mein Glück nochmal in Los Angeles, allerdings nicht gleich wieder als Gastro-Unternehmer, sondern sieben Jahre lang als Koch in einem Restaurant.

1987 war es dann aber soweit: in Beverly Hills eröffneten Sie Ihr erstes eigenes Matsuhisa-Restaurant.

Nobu: Ja. Am LaCienega Boulevard reiht sich ein berühmtes Restaurant an das nächste, Tony Roma’s, Arnie Morton’s, The Stinking Rose, Drai’s und die renommierte L’Orangerie. Ein guter Platz, um ein neues Business zu starten, dachte ich mir. Ich hatte bittere Niederlagen einstecken müssen, aber Aufgeben war nie eine Option. Ich wollte es noch einmal probieren. Mittlerweile haben wir auch die L’Orangerie übernommen, da ist jetzt ein Nobu drin.


Mittlerweile sollen es weltweit an die 50 Restaurants sein.

Nobu: Die harte Arbeit und der unternehmerische Mut haben sich letztlich ausgezahlt, Gott sei Dank. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und kann behaupten: ich habe immer mein Bestes gegeben. Und: I did it, I did it my way…

Seit einigen Jahren ist Schauspiellegende Robert DeNiro Ihr Partner in Sachen Gastronomie!

Nobu: Ich habe DeNiro damals über den Regisseur Roland Joffé kennengelernt, der für “The Killing Fields“ für den Oscar nominiert wurde und mein Stammgast in Beverly Hills war. Er hatte mit DeNiro gerade den Film “The Mission“ abgedreht. 

Stimmt es, dass Sie DeNiro, den weltberühmten Schauspieler, erst gar nicht erkannt haben?

Nobu: Das stimmt (lacht)! Da ich immerzu in der Küche stand und arbeitete, hatte ich nie Zeit, ins Kino zu gehen. Robert, ich nenne ihn Bob, erzählte mir, dass er in New York gerade sein erstes Restaurant eröffnet hatte, den Tribeca Grill. Bob ist als sehr umtriebig bekannt. Es schwebte ihm vor, etwas mit mir gemeinsam zu machen. Doch mir kam diese Idee noch zu früh. Ich hatte alle Hände voll zu tun, meinen Laden in Beverly Hills am Laufen zu halten. Also sagte ich: No, thank you! Vier Jahre vergingen, und als er mich dann nochmal fragte, sagte ich: Yes, please (lacht)! Ich vertraute ihm, denn mir wurde bewusst, dass er es ernst meinen musste, wenn er vier Jahre auf mich wartet. 

Haben Sie mittlerweile einige seiner Filme gesehen?

Nobu: Hab ich. DeNiro schickte mir jede Menge DVDs. Wenn ich im Flugzeug sitze, auf dem Weg zu meinen anderen Restaurants, nehme ich mir Zeit für Filme. Ich mag Bobs Klassiker wie “Taxi Driver“, “Raging Bull – Wie ein wilder Stier“, “Goodfellas“, bei denen Martin Scorsese Regie führte – und natürlich “Der Pate“. 

In einem Scorsese-Streifen durften Sie sich später gar an der Seite DeNiros als Schauspieler versuchen…

Nobu: 1995 bekam ich eine Mini-Rolle im Thriller “Casino“, obwohl ich gar keine Ahnung von Schauspielerei und Filmemachen hatte. Ich durfte einen Glücksspieler, einen “High Roller“ spielen, der um riesige Summen pokert. Gedreht wurde damals vor Ort in Las Vegas, das war ziemlich spannend. Mein Garderobentrailer stand direkt neben dem von DeNiro. Ich lernte schnell: einen Film zu drehen bedeutet warten, warten, warten, bis man irgendwann endlich seinen Einsatz hat. Nichtstun ist äußerst mühsam, das kostet einige Geduld. Am ersten Drehttag kam Bob mit einer Flasche Champagner in meinen Trailer. Während wir tranken, gab er mir wertvolle Tipps, wie ich mich vor der Kamera richtig bewege. DeNiro hat mich toll unterstützt und ist auch im Gastrobusiness ein Partner, auf den ich mich voll verlassen kann. Heute sind wir Freunde. Wenn er mich im Matsuhisa besucht, bereite ich ihm immer Black Cod mit Miso zu, dazu trinkt er am liebsten Sake.

Sie sind zehn Monate im Jahr auf Reisen, stehen ständig unter Strom. Wie halten Sie sich fit? Mit Spezial-Diät?

Nobu: Eine besondere Diät habe ich nicht, ich esse alles gern. Meine Philosophie als Koch ist, alles, wirklich alles zu probieren. Wenn man gegessen hat, muss man die Kalorien verbrennen, also bewege ich mich: Ich gehe Schwimmen, das schont die Gelenke. Zum Relaxen fahre ich mehrmals im Jahr in mein Landhaus außerhalb Tokios. Dort genieße ich die Berge und die Ruhe der Natur. Es klingelt kein Telefon, ich rede nicht viel und habe endlich Muße, Bücher zu lesen.

Wie kamen Sie darauf, ein Matsuhisa in München zu eröffnen?

Nobu: Mein Partner brachte mich auf die Idee, denn er kannte den Besitzer des dortigen Mandarin Oriental Hotels. Wir hatten zuvor drei Restaurants in St. Moritz (im Badrutt’s Palace Hotel), in Athen und auf Mykonos eröffnet und sehr gute Erfahrungen in Europa gemacht. Daher war diese Expansion ein logischer Schritt. Und München ist wirklich eine attraktive Stadt. Besonders den Viktualienmarkt mag ich. 

Wie schaffen Sie es, in all Ihren Restaurants rund um die Welt gleichbleibende Qualität zu garantieren?

Nobu: Das Wichtigste ist, dass ich all meinen Chefköchen vor Ort hundertprozentig vertrauen kann. Sie machen das daily business, tragen dabei eine große Verantwortung und müssen alles unter Kontrolle haben. Insgesamt habe ich weltweit über 300 Köche angestellt. Jeder von denen weiß, worauf ich Wert lege, was mir wichtig ist. Sie kennen meine Philosophie und danach müssen Sie sich richten. Jeder Gast verlangt bei jedem Restaurantbesuch allerbeste Qualität – völlig zu Recht. Auch wenn ich mit meinen Mitarbeitern nicht verwandt bin, sehe ich uns als großes Familienunternehmen an. Jeder soll jedem helfen.

Stars wie Jennifer Lopez, Kate Winslet oder Dwayne “The Rock“ Johnson gehen in Ihren Restaurants ein und aus. Erinnern Sie sich an besondere Höhepunkte in Ihrer Karriere?

Nobu: Da gibt es sicher so einige. Dass ich zur Feier des 90. Geburtstags von Jazz-Sänger Tony Bennett in Las Vegas kochen durfte, war für mich ein absolutes Highlight. Dieser Mann ist schließlich eine lebende Legende…

Titelbild – LaCoupole Matsuhisa – Badrutt’s Palace St. Moritz – Fotocredit ©Matsuhisa

A Memoir von Nobu Matsuhisa
Matsuhisa Restaurant München – Fotocredit © Mandarin Oriental,
Autor Alexander Gernandt mit Nobu
Fotocredit © Mandarin Oriental,

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